Freitag, 21. Juli 2017



Das kleinste zertifizierte Passivhaus der Welt steht in Eberbach am Neckar

Manches Mal benötigt es einiger Zwischenschritte bis man zur finalen Lösung kommt.
So auch bei unseren Bauherren aus dem schönen Eberbach, die für sich die richtige Lösung zum altersgerechten Wohnen suchten. Altersgerecht bedeutet auch Zukunftssicherheit. Während man bei den meisten konventionellen Gebäuden binnen 20-30 Jahren den Entstehungspreis noch einmal für den Betrieb des Gebäudes zu investieren hat, kann man beim Passivhaus die Betriebskosten genau kalkulieren. Und diese Kalkulation fällt erfreulich bescheiden aus. Das liegt daran, dass ein Passivhaus nur max. 15 KWh/qm*a für Warmwasser und Heizung verbrauchen darf. Für ein „normal großes“  Gebäude bedeutet das i.d.R. Kosten von gerade einmal 200-250 € pro Jahr. Sehr überschaubar und damit auch mit einer kleinen Rente gut zu verkraften.

Unsere Bauherren waren aber noch weitsichtiger. Sie wollten nicht nur minimalste Betriebskosten haben, sondern waren bereit auf alles zu verzichten was man im Alter meist ohnehin nur als Ballast empfindet. Und das war für sie u.a. zu viel Raum. Also entschieden sie sich ein Haus zu realisieren das genau so groß ist um alles Lebensnotwendige schön und komfortabel abzubilden, aber eben keine unnötigen Flächen zu bauen. Dies alles natürlich auf einer Ebene, so dass das Ganze auch in fortgeschrittenem Alter ungehindert genutzt werden kann. 

Und „hübsch“ sollte es auch sein. Das war den Bauherren ebenfalls sehr wichtig.
So wundert es nicht, dass die ersten Gespräche auch über die Frage der richtigen Architektur gingen. Das Grundstück liegt von der abschüssigen Straße talwärts geneigt, was ihm zwar einen traumhaften Blick über Eberbach und das angrenzende Neckartal gibt, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung für die Erschließung und Zuwegung zum Haus und Garten darstellte.
Bald war klar: das Haus wird eine kleine aufgeständert Holzkiste ohne viel BlingBling, der darunter entstehende „Luft“Raum wird für Gartengeräte genutzt und der Zugang zum Haus über eine kleine Brücke realisiert. Zur Befriedigung der Vorschriften zu (un)notwendigen KFZ-Abstellflächen musste leider ein Stück des Geländes (teuer) aufgefüllt werden. So ist das mit Bauvorschriften die den wirklichen Ansprüchen und Bedürfnissen ewig hinterherhinken. 

Wer sich mit Energieoptimierung und dem Thema Passivhaus schon ein wenig beschäftigt hat, der weiß, dass vor allem das A/V-Verhältnis (Hüllfläche zu Volumen) eine der großen Einflussgrößen beim Transmissionswärmeverlust und damit beim Heizwärmebedarf eines Gebäudes ist.  Das bedeutet: umso kleiner ein Gebäude umso mehr Energie verbraucht es je Quadratmeter Wohnfläche. Ganz alleine deshalb weil das A/V-Verhältnis mit kleinerem Volumen immer ungünstiger ist. Stellt man ein solches Haus dann auch noch auf Stützen und erlaubt dadurch der Außenluft auch den Boden des Gebäudes zu erreichen, dann wir der Wärmeabfluss automatisch noch höher. Mit anderen Worten: rein energetisch betrachtet war der Entwurfsgedanke nicht gerade optimal. Oder anders formuliert: ein Passivhaus mit diesen Randbedingungen muss schon sehr genau geplant und hochwertig realisiert werden um die Ansprüche an den extrem niedrigen Wärmebedarf zu erreichen.

Natürlich wollten unseren Bauherrn „ihr Traum-Passivhaus“ auch nicht um jeden Preis realisieren. Ebenso wie die Überlegung geringste Nebenkosten als zweite Rente zu genießen, stand für die Realisation auch nur der Verkaufserlös einer kleinen ETW als Budget zur Verfügung. Es hieß also auch bei den Baukosten streng darauf zu achten nichts Unnötiges oder gar Teures zu entscheiden. Das gelingt natürlich nur wenn die Bauherren in ihren Erwartungen und Ansprüchen maßvoll sind. Glücklicherweise haben sich bei diesem Projekt alle Faktoren wie von selbst zusammen gefunden. Damit ist nicht nur das kleinste zertifizierte Passivhaus der Welt entstanden, sondern auch ein Haus dessen Kosten sich mit jeder beliebigen Bauträgerwohnung vergleichen lassen. Und das bei absoluter Top-Passivhaus-Qualität!   

Allerdings geschieht so etwas Außergewöhnliches nicht von alleine. Zunächst hat die Bauherrschaft das wunderschöne Grundstück und einen erfahrenen Passivhausarchitekten gesucht und gefunden. Dann hat „die Chemie“ zwischen Planer und Bauherr von Anfang an sehr gut gestimmt. Das war dann auch die beste Grundlage für alle gemeinsamen Entscheidungen. Nur so konnte bei jedem Teilaspekt die jeweils günstigste und klügste Lösung zusammen entwickelt werden. Das gilt sowohl für die Realisierung der ästhetischen Ansprüche, die Entscheidungen der notwendigen und sinnvollen Haustechnik als auch für die Lage, Größe, Bauform und Ausstattung des Gebäudes. 

Dennoch soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Passivhaus mit gerade einmal 75 qm Wohnfläche eine echte Herausforderung darstellt. Neben dem gelungen Zusammenspiel zwischen Hausherr und Planungsbüro waren auch hochmotivierte und handwerklich sauber arbeitende Firmen notwendig um das Ziel zu erreichen. Die Vergabe solcher Arbeiten ist nicht ausschließlich nach dem Prinzip „der Günstigste bekommt den Zuschlag“ möglich. Um die notwendige Qualität zu erhalten wurden deshalb alle Arbeiten an Firmen vergeben mit denen zusammen wir als Architekturbüro schon mehrfach Passivhäuser entwickelt und gebaut hatten. Gleichzeitig haben wir die Rolle des Generalplaners angenommen und damit die Verantwortung sowohl für die Architektur, aber auch für die Tragwerksplanung als auch die Planung der haustechnischen Anlage übernommen. Somit hatte unser Bauherr für alle planerischen Leistungen nur einen Ansprechpartner und wir konnten das „Gesamtkonzept Passivhaus“ von Beginn an optimal planen.
Am Ende haben wir das Gebäude noch zertifizieren und damit überprüfen lassen, dass auch dieses „Mini-Haus“ ein wirkliches Passivhaus nach den strengen Kriterien des Passivhaus-Instituts in Darmstadt geworden ist, das seinen Bewohnern nun einen geruhsamen und entspannten letzten Lebensabschnitt gewährleistet. 
Und was ziemlich genau ein Jahr vorher mit einem lockeren Gespräch bei Kaffee und Kuchen begonnen hat, ist jetzt der wahr gewordene Traum eines zufriedenen Ehepaares. Das ist nicht nur für uns Planer mehr als erfreulich, sondern spiegelt sich auch in der Stimmung wieder wenn man in Eberbach an die Tür klopft und von zwei freundlichen, gutgelaunten Persönlichkeiten mit strahlenden Gesichtern hereingebeten wird.

Die Bewohner zeigen ihr Mini-Passivhaus gerne und nicht nur beim Tag des Passivhauses, der in jedem Jahr im November stattfindet. Ein Kontakt kann gerne über unser Büro hergestellt werden:

r-m-p architekten und ingenieure
Partnerschaft mbB Matzig & Debole
Brentanostraße 11
68199 Mannheim
tel. +49 621 7900071