Passivhausplanung, eine Aufgabe für Architekten?
Wikipedia lehrt uns: Der Beruf des Architekten ist
traditionell generalistisch - der Architekt (der Erste, der Führer, der Tektoi
der Bauleute, Oberster Handwerker, Baukünstler, Baumeister‘) befasst sich mit
der technischen, wirtschaftlichen, funktionalen und gestalterischen Planung und
Errichtung von Gebäuden und Bauwerken vorwiegend des Hochbaues.
Seine Kernkompetenz ist das über das Bauen hinausgehende Schaffen von Architektur.
Das Berufsbild
des Architekten ist nicht eindeutig definier- und abgrenzbar, länderweise
verschieden und ständig in Bewegung. Die Spannweite der Tätigkeitsbereiche
reicht von der „Baukunst“, die sich dem Entwurf
und der Architekturtheorie widmet, über Ingenieurtätigkeiten
und das technische Entwerfen von Gebäuden bis hin zur Bauleitung,
bei der Bauplanung
und -ausführung koordiniert werden und deren
Augenmerk vor allem auf Terminen, Qualität und Baukosten liegt.
Angesichts glaubhafter Belege werden 40% des CO2 aus
gebauter Umwelt emittiert.
Damit dürfte klar sein was Planer zukünftig „noch“ werden leisten müssen.
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind folglich nicht nur
Schlagworte mit guten Aussichten zum Unwort des Jahres gekürt zu werden, sie
sind auch und vor allem die inhaltliche Basis ökologischen Bauens – einer
Bauweise, die Ressourcenverbrauch und Schadstoffbilanzierung bei Entscheidungen
hochrangig mitbewertet.
Aber wer ist denn nun zuständig für „die Energieeffizienz“?
Als Generalist ist „der Architekt“ in der Pflicht – soviel
ist klar. Erlebt man diese Themen jedoch als „störendes Beiwerk“ oder gar als
contraproduktive Forderung - da vielleicht die hochwertige Architektur
„überdacht“ werden muß - dann wird man
leicht Argumente finden, dass Energieeffizienz natürlich ein Thema für
Fachingenieure ist. Damit wird die Kluft der widerstreitenden Interessen mit
Sicherheit nicht kleiner und die Findung von ganzheitlichen Lösungen nicht
einfacher werden.
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, der
Architekt ist in der Pflicht!
Er ist nicht nur erster Ansprechpartner des Bauherrn,
sondern es ist auch seine originäre Aufgabe die am Bau Beteiligten zu
koordinieren – so steht es auch in der HOAI. Und wie soll er denn koordinieren
wenn er keine Ahnung hat?
Bleibt nur noch die Frage zu klären: Was bedeutet denn
eigentlich Energieeffizienz beim Bauen und Sanieren?
Um es nicht zu kompliziert zu machen, sei eine vereinfachte
Darstellung erlaubt.
Bauen beginnt mit der Produktion, der Lagerung und dem
Transport von Werkstoffen und Bauteilen. Dann kommt was man im eigentlichen
Wortsinn „Bauen“ nennt, nämlich das Zusammenfügen produzierter und gelieferter
Materialien zum fertigen Gebäude. Darauf folgt die Zeit der Nutzung,
Instandhaltung und ggf. des Umbaus und am Ende steht die selten sinnvoll in
Betracht gezogene Entsorgung in Form von Recycling oder Deponie.
Wir haben es folglich mit 4 unterschiedlichen Phasen und
Anforderungen zu tun, wenn wir die Frage der Energieeffizienz ernsthaft
definieren und beleuchten wollen.
Phase 1 – Produktion und Transport
Die Energiebilanz dieser Phase hängt von den zur Verwendung
kommenden Materialien und den notwendigen Transportwegen ab. Diese sind nur in
den seltensten Fällen durch die Preisbildung in Angeboten abgedeckt oder
widergespiegelt. Nicht selten werden Materialien, unabhängig von Ihrem
Produktions- und Verwendungsort über feste Preislisten angeboten. Ähnliches
kann bei Personal- und Maschineneinsatz vorkommen. Auch hier wird die
Entfernung zur Baustelle nicht immer im Sinne der Energieeffizienz im Angebot
kalkuliert.
Es ist also Aufgabe des Architekten, bei der Ausschreibung
darauf zu achten und zu entscheiden welche Materialien zum Einsatz kommen und
wer diese verarbeitet.
Phase 2 – das Bauen
Ein Passivhaus ist nicht automatisch die Antwort auf alle
Fragen der Nachhaltigkeit, aber es ist objektiv die Antwort auf
Energieeffizienz. Insofern muß der Architekt der Zukunft in der Lage sein, nach
dem Passivhausstandard planen zu können und Gebäude zu erstellen, welche die
Grenzwerte eines Passivhauses nach Passivhausinstitut Dr. Wolfgang Feist (PHI) einhalten.
Phase 3 – Nutzung, Instandhaltung und Umbau
Die Nutzung hängt von Nutzer ab. Aber der Nutzer kann nur
nutzen was er bekommt. Damit ist geklärt, wer für die Qualität des
„Nutzobjektes“ und die Aufklärung über die Nutzbarkeit zuständig ist – der
Architekt natürlich.
Energieeffizienz ergibt sich nicht von selbst, aber erst
durch ein gutes Gebäude erhält der Nutzer die Chance die Nutzung auch
energieeffizient zu gestalten. Das gilt auch und vor allem bei
Nutzungsänderungen.
Phase 4 – Entsorgung
Schon heute sind zahlreiche ungenutzte und leergeräumte
Gebäude Teil unserer gebauten Umwelt. Der Grund dafür sind die hohen Entsorgungskosten.
Abbruch und Deponie von Bauschutt ist auf Grund der üblichen Zusammensetzung teuer
und wird mit fehlenden Deponieflächen immer teurer werden. Ein wesentlicher
zusätzlicher Planungsauftrag ist damit
klar definiert. Gebäude der Zukunft müssen recyclebar und deponiefähig sein.
Deshalb ist es unzulässig, durch den Einsatz ungeeigneter Materialen, unsere Gebäude weiterhin als
Sondermüllzwischendeponie zu nutzen ohne den Besitzer mit den Konsequenzen zu
konfrontieren.
Ohne die anderen Phasen aus dem Feld der Betrachtungen
ausklammern zu wollen, bleibt die zentrale Frage: wer ist für die
Energieeffizienz beim Bauen zuständig und ist der Architekt „der
Passivhausplaner“. Die Antwort könnte gefunden werden, wenn man die
Betrachtungsweise wie folgt umformuliert: Die zusätzlich zu erfüllenden
Planungsanforderungen bei einem Passivhaus finden in zwei Bereichen statt
Beide Bereiche sind jedoch eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegeneinander. Da der Architekt zweifelsfrei „der Meister“ der Gebäudehülle zu sein hat, muß er zumindest insoweit über die haustechnischen Belange der Passivhausplanung Bescheid wissen, wie es das sinnvolle Zusammenwirken erfordert. Die eigentliche Planung der Haustechnik verbleibt folglich weiterhin beim Fachplaner. Die grundsätzlichen Entscheidungen über diese Technik fällt aber der Architekt. Ebenso ist er zuständig für die Berechnung der Energetischen Faktoren, also der PHPP. Damit entscheidet der Architekt welche Stellschrauben zu drehen sind um maximale Energieeffizienz bei sinnvollem Investitionseinsatz zu bekommen. Er ist es auch der die Kostenkontrolle über das Gesamtprojekt betreut und damit in der Verantwortung steht für die richtige Verteilung und effizienten Einsatz der Kosten. Nur so können die notwendigen Mehrinvestitionen eines Passivhauses wirtschaftlich sein.
Das Berufsbild eines Passivhausarchitekten ist damit um
einiges komplexer als das eines Architekten ohnehin schon ist. Damit ist auch
klar, dass ein „normaler“ Architekt nicht der richtige Ansprechpartner für die
Planung eines Passivhauses sein kann.
Nun gibt es grundsätzlich zwei Wege Passivhaus-Architekt zu
werden.
Der wohl bekannteste ist verantwortlich ein
„qualitätsgeprüftes Passivhaus“ geplant zu haben. Danach kann man beim PHI ein
Zertifikat als Passivhausplaner beantragen. Zusätzlich gibt es seit einigen
Jahren die Ausbildung zum Passivhausplaner mit anschließender Prüfung. Nach
deren Bestehen darf man sich, je nach dem welche Berufsausbildung man besitzt,
entweder Passivhausplaner oder Passivhausberater nennen.
Ob diese Zusatzausbildungen jedoch jeden Architekten
ausreichend befähigt kostengünstig und funktionierende Passivhäuser zu bauen,
möge ebenso dahin gestellt bleiben wie die Frage ob die einmalige Planung eines
zertifizierten Gebäudes ausreichen kann. Zwar haben die erteilten Zertifikate
ein Verfallsdatum und indizieren somit Planer als ausreichend qualifiziert nur
dann wenn eine regelmäßige Beschäftigung mit dem Thema stattfindet, aber
angesichts der Tatsache das wir im Sinne der Emissionsminderung in Zukunft alle
Neubauten in Passivhausqualität erstellen werden müssen, stellt ein Zertifikat
alleine die ausreichende Qualität möglicherweise nicht sicher. Die
Anforderungen nach Passivhausqualität gibt es mittlerweile in fast allen
Bereichen des Bauens. Das bedeutet dass nicht nur Wohngebäude, sondern auch
sehr komplexe Nutzungsformen wie Schulen, Sportstätten, Produktionsgebäude,
Schwimmbäder und mittlerweile sogar Kliniken in Passivhausqualität geplant werden.
Um für alle zukünftigen Passivhaus-Bauten die notwendige Planungsqualität zu
besitzen, können die derzeitigen Voraussetzungen zur Erlangung des Zertifikates
als Passivhausplaner nur Grundanforderungen abdecken. Die Komplexität der
Planungsaufgaben bei einem Passivhaus erfordert insofern eine gründliche
theoretische Ausbildung, gepaart mit einer permanenten Weiterbildung ergänzt
durch die praktische Umsetzung. Ohne diese drei Säulen an Zusatzerfahrung wird
ein Architekt nicht als Passivhausarchitekt erfolgreich die Ziele seiner Kunden
umsetzen können.
Natürlich ist und bleibt es auch weiterhin Aufgabe des
Bauherrn oder seiner Vertreter die richtigen Partner für das geplante
Bauvorhaben zusammenzustellen, aber es ist Aufgabe des Architekten die
Herausforderung der Zukunft zu erkennen und sein Angebotsportfolio entsprechend
anzupassen.
Die hierfür notwendige Aus- und Weiterbildung wird von
einigen Bildungsträgern angeboten. Zusätzlich kann die Mitarbeit in
entsprechenden Netzwerken, wie z.B. der Organisation ProPassivhaus e.V. (PPH)
eine wertvolle Informationsquelle darstellen.
Die wichtigste Erkenntnis noch einmal zusammengefaßt
bedeutet, dass die Architektenleistungen für ein qualitätsvolles Passivhaus mit
bisherigen Kenntnissen aus Studium und Beruf nicht geplant werden kann. Das
zusätzliche Leistungsbild ist auch nicht in der Gebührenordnung der Architekten
abgebildet, aber die Planungsverantwortung obliegt eindeutig dem Architekten.
Das bedeutet ebenso Chance wie Herausforderung.
Roland Matzig – zertifizierter PassivhausPlaner
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