Passivhausbewegung im Ausland
Rein statistisch
betrachtet gibt es im „Erfinderland des Passivhauses“ - so sich Deutschland
diesen Titel wirklich geben darf - noch immer die meisten realisierten
Passivhausprojekte. Die Zahl steigt auch rapide an und der Trend zur
Internationalisierung, d. h. zur Umsetzung der Passivhauskriterien im
europäischen Ausland und darüber hinaus, legt jedoch deutlich an
Geschwindigkeit zu. Fast täglich flirren Informationen über Facebook und
Twitter mit Berichten von ersten Passivhäusern in dieser und jener Ausführung
und Nutzung, und diesem und jenem Land oder gar Klimazone.
Bald darf erwartet
werden, dass es weitere Meldungen mit dem Attribut „erstes Passivhaus in/mit …“
nur noch geben wird wenn wir beginnen, den Mond zu bebauen. Das bedeutet im
Umkehrschluss aber auch: Das Passivhaus ist angekommen - und zwar nicht nur in
den Wohlstandsgebieten, sondern weltweit. Gerade wurde das „erste Passivhaus in
Moldova“ fertiggestellt und sein Siegeszug rund um den Globus scheint unaufhaltsam.
Eine offizielle und
vollständige Statistik zur Zahl der gebauten Passivhausprojekte gibt es nicht.
Das ist auch nicht notwendig und bald auf Grund der schieren Zahl auch nicht
mehr möglich. Nach Veröffentlichungen gibt es zurzeit weltweit ca. 37.000
Passivhäuser von denen ca. 4.500 nach den Kriterien des Passivhaus Institut
Darmstadt (PHI) zertifiziert sind. Diese Zahlen, die uns über Organisationen
wie z.B. der International Passive House Association (iPHA) zugetragen werden
und teils auf Schätzungen, aber auch auf freiwillige Angaben beruhen, zeigen
alle in die gleiche Richtung: nämlich einer schnellen Zunahme der realisierten
Projekte in diesem Standard.
Immer mehr Länder
dieser Erde haben somit schon Passivhäuser oder anders formuliert - immer
weniger Länder vermissen noch „das erste Passivhaus“. Dabei folgen, trotz
vollkommen unterschiedlichen Baukulturen, klimatischen und finanziellen
Rahmenbedingungen, alle Passivhäuser den gleichen Grundanforderungen. Und
erstaunlicher Weise funktionieren diese Gebäude - wie von Zauberhand - ebenso
gut und komfortabel, egal ob sie in heißen, kalten, trockenen oder feuchten
Klimabedingungen bestehen müssen. Das belegt nicht nur die Dissertation von Dr.
Jürgen Schnieders (PHI) „Passive Houses in Mediterranean Climates“, in der die
Auswirkungen der Passivhausbauweise an 12 Standorten Westeuropas (Italien,
Südfrankreich und iberische Halbinsel) untersucht wurden, sondern auch die
realisierten Projekte zeigen auf, dass der Grundgedanke der wärmebrückenfreien Hüllendämmung
mit geregelter Frischluftzufuhr bei optimaler Wärmerückgewinnung aus der
Abluft, ein Optimum für das energieeffiziente Bauen in allen Klimazonen
darstellt. Das ist auch die Grundlage für europaweite Bauvorhaben wie z.B.
„BuildTog : Building Together“ wo ein international agierendes Expertenteam
gleichzeitig in UK, Schweden, Frankreich, Deutschland und Italien einen
Passivhausprototyp für den sozialen Wohnungsbau plant, auf die lokalen
Besonderheiten adaptiert und realisieren will.
Während die Anforderungen
an ein Passivhaus mit 15 kWh Heizenergiekennwert sowie 120 kWh/(m2*a)
Primärenergiekennwert und einer Luftdichtheit der Gebäudehülle von n50
≤ 0,6 /h immer und überall
gleich sind, bedingen unterschiedliche klimatische Ausgangslagen
selbstverständlich auch unterschiedliche Konstruktionen und Ausführungen. Das
gilt sowohl im kleinen als auch im größeren räumlichen Maßstab. Ein Passivhaus,
das in der oberrheinischen Tiefebene steht würde den Passivhausstandard ggf.
verfehlen, wäre sein Standort z. B. das bayerische Voralpenland. Folglich sind
Passivhäuser in kalten Klimabereichen auch anders zu konstruieren als solche in
warmen oder heißen Klimazonen. Der jeweilige Standort hat, ähnlich der
Verschattungssituation, einen erheblichen Einfluss auf die notwendigen U-Werte
der Hüllflächen wie Dach, Wand, Boden sowie Türen und Fenster. So kommt z. B.
das erste Passivhaus in Athen (Griechenland) komplett ohne Bodenplattendämmung
aus, während in Deutschland in der Regel hier Dämmstärken zwischen 20 - 70 cm
angetroffen werden.
Ein Passivhaus ist
also keine „Einheitskiste von Schlüsselfertiganbietern“, die ohne Rücksicht auf
den Standort entworfen werden kann. Nein - ein Passivhaus ist ein sensibles,
optimiertes Bauwerk, das den energetischen Notwendigkeiten des Lebens im 21.
Jahrhundert gerecht wird und dadurch an die Leistungsfähigkeit und Qualität
seiner „Baumeister“ höchste Anforderungen stellt.
Damit sind jedoch auch
die Grenzen, zumindest ein Stück weit, beschrieben. In Ländern, in denen die
Bauqualität nicht sehr weit entwickelt ist, wird es naturgemäß schwieriger
sein, in der notwendig hohen Qualität, die ein Passivhaus fordert, Gebäude in
großer Zahl zu erstellen. Hinter dieser „Hemmung“ verbirgt sich jedoch
gleichzeitig auch die Chance des Knowhow-Transfers. Architekten und Ingenieure
mit dem Wissen tausender realisierter Passivhäuser in Deutschland, Österreich
und anderswo pilgern durch die EU, USA und Asien und vermitteln
Passivhausqualität via Aus- und Weiterbildung sowie durch die Übernahme von
kompletten Planungsleistungen. Zumindest nach den Vorträgen auf der
internationalen Passivhauskonferenz darf man den Eindruck wiedergeben, dass
viele der hiesigen, erfahrenen Passivhausplaner auch Projekte in fernen Ländern
planen. Als Beispiel seien hier das erste Passivhaus Chinas in Shanghai, das
anlässlich der Weltausstellung erbaut wurde, oder das geplante chinesische
Passivhaus Kompetenzzentrum, das in Kooperation mit der DENA entstehen wird,
genannt, die alle von deutschen Architekten entworfen sind. Auch das Büro des
Verfassers dieses Artikels plant und baut Passivhausprojekte im Ausland, wie
aktuell auf Korfu/Griechenland, in Gaziantep/Türkei oder auch in Luxemburg,
Belgien oder UK.
Trotz dieser wunderbaren Gesamtentwicklung gibt es bisher noch immer wenige Länder und Staaten, wie z.B. Österreich, die eine speziell auf das Passivhaus zugeschnittene Förderung anbieten und damit entsprechende Marktanreize setzen. Ob das damit zu tun hat, dass es sich beim Passivhausstandard letztlich um eine „private Erfindung“ handelt, mit der sich Vertreter öffentlicher Einrichtungen naturgemäß schwer tun, kann dahingestellt bleiben. Klar ist dass das Passivhaus mit seinen Kriterien schon seit mehr als 20 Jahren die ausnahmslos beste und optimalste Basis für energieeffizientes Bauen bildet. Deshalb wäre es an der Zeit und mehr als wünschenswert, wenn die Weltklimadiskussionen zur Festlegungen dieses erprobten Baustandards in Form eines „international gültigen und verbindlichen Regelwerkes“ führen könnte. Das unübersichtliche und unnötige Nebeneinander der unzähligen lokalen Energieverbrauchsfestsetzungen hätte dann endlich ein Ende und der „Global Energy Standard Passive House“ würde es Planern weltweit ermöglichen auf gleicher und somit vergleichbarer Basis optimiertes Bauen zu realisieren. Dann wäre zumindest im Bereich der Emissionen aus Gebäuden ein Schritt in die richtige Richtung getan.
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